Die Restaurierung der Orgel in Pomßen

Registerknöpfe vor Restaurierung
durch Pflaumenholz-Halbschalen und kleine Knochenköpfe vervollständigte Registerknöpfe

Nach erfolgter Ausschreibung und der Empfehlung der Orgelkommission beauftragte der Kirchenvorstand Pomßen die Orgelwerkstatt Wegscheider, Dresden, mit der Restaurierung der Orgel. Die Ausführung der Arbeiten erfolgte in zwei Bauabschnitten.

Einer klugen denkmalpflegerischen Empfehlung folgend, konnten im Jahr 2000 im Turm hinter der Orgel vier historische Keilbälge eine Wiederverwendung finden. Diese Bälge standen bis zu diesem Zeitpunkt ungenutzt in der Schlosskirche in Zwickau-Planitz. Dankenswerterweise hat die dortige Kirchgemeinde diese Bälge als Dauerleihgabe für die Pomßener Orgel zur Verfügung gestellt. Nach den Forschungen von Dr. Ulrich Dähnert könnten diese Bälge von der 1696 von Andreas Tamitius gebauten Orgel stammen und gehören somit zu den ältesten erhaltenen Orgelbälgen in Sachsen. 

Von den vier aus Zwickau-Planitz stammenden Keilbälgen, die im Pomßener Turm ihren neuen und idealen Standort fanden, sind entsprechend der ursprünglichen Anlage von Gottfried Richter drei in Gebrauch.

Im November 2004 erfolgte der Ausbau der Pedalwindlade und der dazugehörigen Mechanik, am 26.September 2005 schließlich die vollständige Demontage der Orgel und der Abtransport in die Orgelbauwerkstatt.

Noch vor dem Beginn der eigentlichen Restaurierungsarbeiten konnten bis dahin unbeantwortet gebliebene Fragen geklärt und ein verbindliches Restaurierungskonzept vereinbart werden. So erbrachte eine dendrochronologische Untersuchung der für das Gehäuse verwendeten Hölzer, dass diese erst um 1647, 1655 und 1664 geschlagen worden sind. Damit konnte der Nachweis erbracht werden, dass Gottfried Richter kein älteres Gehäuse übernommen hat.

Ferner wurde nach eingehenden Beratungen der Beschluss gefasst, die drei ursprünglichen Pedalregister wieder in der von Richter ausgeführten Reihenfolge auf den erhaltenen Pfeifenstock zu stellen. Der 1727 an Stelle von Cornetten 2' eingefügte Violenbaß 8' wurde auf Vorschlag der Restauratoren auf eine Zusatzlade hinter das Pedalwerk gestellt. Dafür wurde das Pedalgehäuse um 95 mm nach vorn verschoben.

Bei den Untersuchungen zur ursprünglichen Aufstellung der Pedalwindlade wurde festgestellt, dass sowohl einige Becher von Posaune 16´, als auch C von sub Baß 16' im oberen Bereich einen weißen Anstrich hatten. Dieser Befund bestätigt die Überlieferung, dass das Pedalwerk einmal hinter der Orgel gestanden hat.

Gleichzeitig galt es, die Rekonstruktion der Zungenregister Trompeten 8´und Cornetten 2´ vorzubereiten. Vergleichende Untersuchungen an den Orgeln in Abbenrode und Lohburg, zu denen uns freundlicherweise die Orgelbaufirma Alexander Schuke den Zugang gewährte, führten schließlich dazu, die von Christoph Contius 1708 in Abbenrode gebauten Zungenregister als Grundlage für die Rekonstruktion zu verwenden.

Das Labialpfeifenwerk war bis auf Nassat 3´ weitestgehend original erhalten. 1934 hatte Schmeisser dieses Register mit älteren Pfeifen neu besetzt. Da sich darunter aber auch sechs konische Pfeifen von Richter befanden (c'' - f''), wurde unter Verwendung dieser Pfeifen die Rekonstruktion des vollständigen Registers vereinbart.

Zu den durchgeführten Arbeiten schreibt Kristian Wegscheider in der Festschrift zur Wiederweihe der Orgel u.a.: "Das Orgelgehäuse in seiner für 1671 altmodischen Form wies zahlreiche Veränderungen auf. Durch den Einbau der neuen breiteren Klaviatur waren Teile im Brett über der Klaviatur herausgesägt worden. Das ganze Brett (auf der Rückseite dient es als Wellenbrett) war im Gegensatz zum übrigen Gehäuse mehrfach überstrichen worden. Mit viel Mühe konnten wenige Reste der ursprünglichen Registerschilder freigelegt werden. Auch eine reizvolle Bemalung als aufgeschlagenes Buch kam teilweise zum Vorschein.

Das Klaviaturlager ließ sich nach den erkennbaren Spuren rekonstruieren. Wie aber waren die Klaviaturen gebaut? Neben dem Klang ist dieser Teil der Orgel für den Charakter und die Spielweise der Orgel von entscheidender Bedeutung. [...] Bei unseren Vergleichen in Lippersdorf, Kleinolbersdorf und Rossau mussten wir feststellen, dass nur noch Rossau alte Klaviaturen und alte Klaviaturbacken hat, die als Vorbild aus der Richter-Schule dienen können. [...] Nach eingehender Beratung wurde mit der Kommission festgelegt, dass die Konstruktion des Klaviaturrahmens einschließlich der abschließbaren Klaviaturabdeckung für Pomßen übernommen wird. Außerdem sollten die gleichen Holzarten für die einzelnen Komponenten (Tastenbeläge etc.) und auch der Maße und Konstruktion der Pedalklaviatur übernommen werde. [...] Da wir die Registerknöpfe in Rossau auch als ursprünglich ansahen, wurde auch diese Form als Vorbild für Pomßen gewählt. Dazu wurden Pflaumenholzhalbschalen gedrechselt und an die vorhandenen veränderten Registerzüge angeleimt. Der kleine Knochenkopf an der Spitze ist ebenfalls nach dem Vorbild der Orgel in Rossau kopiert. [...] Zwei Durchbrüche für Registerzüge stammen offenbar aus älterern Zeiten der Orgel (18. und 19. Jahrhundert). Die Gehäuseöffnung auf der Nordseite der Orgel ist schlitzförmig. Ich vermute, dass hier die erste Pedalkoppel geschaltet wurde. [....] Diese spielunfreundliche schaltbare Koppel wollten wir aber nicht rekonstruieren. Wir entschieden mit der Kommission, diese Öffnung für den zusätzlichen Registerzug Violenbaß 8' zu verwenden.

[...] Durch den Einbau von Violenbaß 8' (1727) ist seit dieser Zeit eine Pedalkoppel sinnvoll und wurde vermutlich auch in dieser Zeit erstmalig eingebaut. Um aber geeignete Ventilaufgänge zu ermöglichen, welche die Beutelpulpeten nicht gefährden, war eine Neukonstruktion notwendig geworden.[...]

An einigen Stellen war zu erkennen, wo der ursprüngliche Cimbelstern gesessen hat. [...] Die drei Nebenzüge Tremulant (im Kanal wieder an gefundener Stelle rekonstruiert), Cimbelstern und Vogelgesang kamen an ihre ursprünglichen Stellen. [...] Nach Reinigung der Windladen, Demontage und Entfernung der mehrfach aufgeleimten Papierschichten konnten Spuren für Ventil- und Federsitz sowie die ursprüngliche Bauweise festgestellt werden. Die originalen Verhältnisse wurden rekonstruiert. Die Messingpulpeten wurden durch Beutelpulpeten aus weichem Leder ersetzt. [...] In der Manualtontraktur wurde die ursprüngliche Wellenbrettaufteilung rekonstruiert. Fehlende Ärmchen, Wellen und Abstrakten wurden ergänzt. [...] Die Registertraktur ist weitestgehend noch original vorhanden."

Zu den Arbeiten am Pfeifenwerk schreibt Hartmut Schütz, Mitarbeiter der Orgelwerkstatt Wegscheider, einen eigenen Beitrag für die Festschrift.

Das Orgelgehäuse und seine Bemalung

Während der 2006 abgeschlossenen Restaurierung der Orgel erfolgten zur Altersbestimmung des Gehäuses dendrochronologische Untersuchungen. Diese Untersuchungen schließen eine Entstehung vor 1670 aus.

So können wir davon ausgehen, dass Gottfried Richter klanglich und gestalterisch ein Renaissancekonzept umgesetzt hat. Ob möglicherweise die Auftraggeberin, Sophia von Ponickau, in der Erinnerung an das Vorgängerinstrument das Konzept beeinflußt hat, kann nicht ausgeschlossen werden.

rechter Orgel-FlügelZu den typischen Besonderheiten gehört u.a. die Betonung der Horizontalen, sowohl beim Verlauf der Gesimse, als auch bei den gleichen Fußlängen der Prospektpfeifen. Die Prospektpfeifen stehen auf einer Linie, die Mittelpfeifen von drei Feldern sind besonders gestaltet und z.T. vergoldet. Das Untergehäuse ist unter Konsolen schmaler als das Oberteil, welches durch Flügeltüren verschlossen weren kann. (Ausführlicher dazu im Festschriftbeitrag von Rainer Behrends "Betrachtungen zum Stil des Orgelgehäuses" von 1671 und seine Bemalung)

Die den Prospekt verschließenden Flügel sind in ihrer künstlerischen Gestaltung außerordentlich bedeutungsvoll. Derartige Flügeltüren hatten aber immer auch eine praktische Bedeutung. Arnold Schlick schreibt dazu in seinem "Spiegel der Orgelmacher und Organisten", 1511: "das Orgelwerck müsse gegen Ratten und Mäuse gut verwahrt werden, auch sei es die Aufgabe der flügel, die Orgel und die Pfeifen vor Staub, Insekten etc. zu schützen, und auch vor Fledermäusen und Vögeln, die in die Kirche hineinfliegen, sich auf die Pfeifen setzen und die Labien verunreinigen.". Es wird an anderer Stelle berichtet, dass die Flügel in der Passionszeit geschlossen blieben und die Orgel schwieg, womit Gemeinsamkeiten zum spätgotischen Flügelaltar belegt werden.

linker Orgel-FlügelZur Bemalung der Flügeltüren schreibt Rainer Behrends in dem bereits erwähnten Festschriftbeitrag u.a.:"Geöffnet zeigen sie auf ockerfarbenem Grund, der eine Goldwirkung suggeriert, ein Engelskonzert in Grisalllemalerei. Je drei Engel werden als Ausführende des großen Gloria >GLORIA IN EXELSIS DEO<, des >Hymnus Angelicus< gezeigt, deutsch >englischer Lobgesang< genannt. Sie musizieren auf Wolken sitzend oder auf ihnen kniend das Gotteslob auf dem krummen Zink, der Querflöte und auf zwei Gamben, von denen das Instrument auf dem rechten Flügel vollständig als fünfseitige Viola da gamba abgebildet ist, während auf dem linken Flügel allein die Instrumenten- und Bogenhaltung eine Gamba erkennen lässt. Zu jeder der beiden Gruppen gehört ein Engel, der den Musikanten eine hölzerne Tafel vorweist, darauf offensichtlich handschriftlich zu denkende Blätter mit den Noten und dem Text des Gloria angeschlagen sind, bezeichnet als >Canto 1.< und >Canto 2.<, ferner rechts unten der Hinweis >verte< (umwenden). Der notenhaltende Engel des linken Flügel vertritt die vox humana, denn er singt, obgleich ihm unterschiedlich zu den übrigen Musikanten der beiden Tafeln ein direkter Blick auf die Notenblätter nicht möglich ist. Die Malerei ausgeführt in Leimfarben (oder Kaseintechnik?) erinnert eher an eine locker und unmittelbar formulierende Pinselzeichnung mit nur angedeuteter Modelierung der Körper, skizzierend nahezu mit knapper und summarischer Vorzeichnung in Graphit, denn an eine bildhafte Malerei.

Für das Motiv konnte ein Vorbild nachgewiesen werden. Der Maler orientierte sich an einem niederländischen Kupferstich von Jan I Sadeler (um 1550 - 1600), geschaffen 1585 nach einer Vorlage des vlämischen Malers Marten de Vos (1532 - 1603). Offensichtlich war dem Maler des Orgelhäuses in Pomßen der Kupferstich von Jan Sadeler bekannt. Ob als Originaldruck oder im Nachstich Visschers oder in Form einer zeichnerischen Nachbildung, bleibt unbekannt und ist letzlich unerheblich."